Gastkommentar vom 12.09.2023 im Börse Express mit Ronald Schneider, Leiter Anleihen, CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management.

Die Gründe für die schlechte Performance im vergangenen Jahr liegen auf der Hand:Die geografische Nähe zum Kriegsgeschehen in der Ukraine hatte massive negative Implikationen für die Märkte der Region ebenso wie die hohen Energiekosten, die in der Folge zu höheren Lebensmittelpreisen und zu teilweise zweistelligen Inflationsraten beispielsweise in Polen, Tschechien und Ungarn führten. In Ungarn betrug diese zeitweise sogar rund 25 %. Die nationalen Notenbanken haben als Reaktion darauf die Zinsen angehoben und damit massiv negative Effekte auf die Anleihenmärkte ausgelöst. Auch die Währungen haben auf den Schock entsprechend reagiert und ebenfalls stark korrigiert.

Insgesamt war das vergangene Jahr daher für Anleger:innen in der Region sehr enttäuschend – euphemistisch ausgedrückt. Doch heuer hat sich das Bild gedreht. Der warme Winter hat neben den politischen Maßnahmen, mit denen man die Abhängigkeit vom russischen Gas reduziert hat, dazu geführt, dass die Länder wider Erwarten ganz gut über den Winter gekommen sind und keine Gasabschaltungen notwendig waren. Die befürchteten Wachstumseinbrüche bzw. ein Kompletteinbruch haben sich nicht realisiert. Und so sind die Inflationsraten bereits im ersten Quartal gesunken und haben sich nach und nach wieder zu normalisieren begonnen.

Aktuell sehen wir schon einen Disinflationstrend, der erste Leitzinssenkungen aufs Tapet bringt und damit auch bei den Renten für eine gute Entwicklung gesorgt hat – wenn auch mit viel Volatilität versehen. Der Großteil der positiven Performance seit Jahresbeginn ist der Anleiheseite (in Lokalwährung) geschuldet. Von den rund 8 % gehen etwa 7 % auf deren Konto. Die Währungen haben sich inzwischen zwar ebenfalls stabilisiert und sind fester geworden, konnten hier aber nur mit einem kleinen Anteil (rund 1 %) an der guten Entwicklung mitmischen.

Auch wenn sich der ungarische Forint unter den CEE-Währungen am besten gehalten hat und deutlich fester ist, bleibt es bei der aggregierten Betrachtung bei diesem erwähnten Wert. Durch das Sinken der höheren Anleiherenditen kam es zu positiven Preiseffekten. Auch hier sticht Ungarn positiv hervor. Ungarische Staatsanleihen haben sich im ersten Halbjahr 2023 zweistellig entwickelt, gleich dahinter im Ranking der höchsten Renditen in Zentral- und Osteuropa kommt Polen und dann Rumänien.

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Betrachtet man die aktuellen Zahlen im Aggregat, dann liegen wir mit rund 5,8 % immer noch auf einem recht ansprechenden Renditeniveau bei Lokalwährungsanleihen. Nach wie vor führt Ungarn das Ranking mit 7,5 % an, gefolgt von Rumänien mit 6,7 %. Das ist im historischen Vergleich noch immer attraktiv, im Vergleich zum ersten Halbjahr allerdings deutlich weniger. Wirft man einen Blick auf die Konjunktur, zeigt sich, dass sich die Befürchtungen einer tiefen Rezession nicht bewahrheitet haben. Dennoch haben die hohen Energiepreise und die hohen Leitzinsen das Wachstum in der Region stark gedrückt.

Die deutliche Stagnation der Wirtschaft hat viel mit der Konjunktur in der Eurozone zu tun, die ebenfalls nicht so richtig in die Gänge kommt und keine Impulse für ihre benachbarten Handelspartner bietet. Die fehlende Expansion betrifft vor allem die Industrie in Osteuropa sehr stark, die sehr eng mit der westeuropäischen Industrie verflochten ist. Insbesondere Tschechien, Rumänien und Ungarn, aber auch die Slowakei, die bereits Mitglied der Eurozone ist, sind sehr stark mit der Automobilindustrie Westeuropas verknüpft. Und da sich diese gerade in einem starken Umbruch befindet – Stichwort Dekarbonisierung –, sind wir derzeit von einer positiven, unterstützenden Dynamik weit entfernt.

Aber auch die hohen Zinsen und die höheren Lebensmittelkosten belasten den Konsum in Osteuropa. Der Konjunkturausblick ist daher eher verhalten. Bereits viel antizipiert. Diese Entwicklung treibt natürlich die Diskussionen an, wann die Notenbanken sinnvollerweise mit der Senkung der hohen Leitzinsen beginnen können, eine Diskussion, die auch auf globaler Ebene in Zusammenhang mit der Fed stattfindet und grundsätzlich die Anleihemärkte unterstützen könnte. Aber derzeit befinden wir uns in einer Konsolidierungsphase. Der Markt hat schon sehr viel antizipiert und eingepreist. Ein Rücksetzer ist daher nicht unwahrscheinlich.

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Investments in Osteuropa nach wie vor attraktiv

Die Außenwirtschaft, die 2022 aufgrund der hohen Gaspreise noch mit großer Sorge betrachtet wurde, hat sich mit der Normalisierung der Preise wieder verbessert und mit ihr die Handels- und Leistungsbilanzen der Länder. Auch der Inflationsausblick ist positiv. Allerdings ist es fraglich, ob die Inflationsziele von 2 bis 3 % in nächster Zeit erreicht werden können. Ein unterstützendes Thema für die zentral und osteuropäischen Länder sind die Transferzahlungen der Europäischen Union. Jene Länder, die konform mit den Rechtsbestimmungen der EU gehen, wie beispielsweise Rumänien und Kroatien, können diese Gelder sehr gut abschöpfen und profitieren enorm.

Für Polen und Ungarn sind diese Zahlungen aufgrund der rechtlichen Diskrepanzen mit der EU derzeit geblockt. In Polen wird am 15. Oktober 2023 gewählt. Eine sehr wichtige Wahl, bei der auch über die Rechtsstaatlichkeit des Landes mit abgestimmt wird. Der Ausgang ist derzeit völlig offen. Sollte die bisher regierende PIS die relative Mehrheit bekommen, könnte die Koalitionsbildung dennoch schwierig werden. Auch etwaige Erwartungen, dass bei einem Regierungswechsel in Polen alles eitel Wonne sein wird, sind überhöht.

Ein Risikofaktor der Region ist der Krieg. Eine Eskalation würde die Märkte voll treffen. Derzeit sehen wir allerdings nicht, dass sich das Kriegsgeschehen auf die Nato-Mitglieder ausweitet. Falls doch, hätte das einen sehr großen Krieg zur Folge, mit enormen Auswirkungen. Zusammengefasst sehen wir die Region nach wie vor als attraktiv an, auch wenn sich die Ertragschancen aufgrund der bereits sehr guten Entwicklung etwas eingeengt haben.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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