Hannes Cizek ist seit April neuer CEO der Raiffeisen KAG und spricht im Interview mit der Raiffeisenzeitung über das Potenzial der Raiffeisen KAG, das mit Innovation gehoben werden soll.

Raiffeisenzeitung: Seit April 2023 sind Sie CEO der Raiffeisen KAG. Mit welcher Strategie oder Vision sind Sie Ihre neue Funktion angetreten?

Hannes Cizek: Vorneweg, ich konnte ein sehr professionelles Team übernehmen. Die Organisation ist vertriebsorientiert, Frontrunner beim Thema Nachhaltigkeit in Österreich und auch in den Auslandsmärkten stark. Ich habe aber auch Themen identifiziert, wo wir uns weiterentwickeln sollten: Digitalisierung ist ein Fokus, den ich in der täglichen Arbeit habe. Wir wollen den Kunden und Beratern den Produktabschluss erleichtern und haben dazu heuer etwa schon ein neues institutionelles Portal entwickelt. Zweites Thema ist das Produktuniversum: Neben unseren sehr erfolgreich etablierten, aktiv gemanagten Anleihen-, Aktien- und Mischfonds sehe ich – insbesondere im nachwachsenden Markt und über digitale Kanäle – ein stärkeres Kundeninteresse an passiven Produkten. Für die Customer Journey ist es daher wichtig, entsprechende Produkte anbieten zu können. 2024 wollen wir mit unserem ersten ETF-Dachfonds starten. Dritter strategischer Schwerpunkt ist das Thema Technologie mit künstlicher Intelligenz und Blockchain.

Geopolitische Risiken waren selten höher. Gleichzeitig sind die Zinsen am Höhepunkt und die Inflation geht zurück. Für das Wertpapiergeschäft sind es im Moment wohl wenig positive Vorzeichen, oder?

Langfristig betrachtet sehen wir jetzt Normalisierung. Es fühlt sich nur nicht so an, weil wir so ungewöhnlich lange in einem Niedrigzinsumfeld waren. Die Normalisierung in sehr kurzer Zeit ist die Herausforderung. 2022 war ein Extremjahr, eines von vier Jahren im vergangenen Jahrhundert, in dem alle Assetklassen negativ waren, das muss man im Kopf behalten. Positiv in diesem Umfeld ist die Renaissance der Anleihenfonds. In den letzten zehn Jahren standen primär Aktien-und Mischfonds im Interesse, mit den steigenden Zinsen steigen nun die Anleihenfonds massiv an. Im institutionellen Geschäft haben wir heuer hauptsächlich Anleihen-Mandate gemacht, auf der Privatkundenseite beginnt es etwas zaghafter.

Österreicher gelten generell als risikoavers. Die Depotdurchdringung liegt bei Raiffeisen unter 14 Prozent. Was braucht es, um diesen Anteil bei Raiffeisen zu verbessern?

Den Beitrag, den wir dazu leisten können, ist das Thema Financial Education – über Social Media, traditionelle Medien und bei vielen Veranstaltungen. Gemeinsam mit den Raiffeisenbanken haben wir etwa ein Format speziell für Frauen gestartet, das ausgesprochen gut ankommt. Der zweite wichtige Hebel ist, dem Thema Veranlagung und Wertpapiere im Bankenvertrieb Präsenz zu geben. Die verstärkte Digitalisierung, mit einer höheren Verfügbarkeit der Produkte und vereinfachter Abschlussfähigkeit, wird die Durchdringung bei Wertpapieren erhöhen. Selbst wenn viele Kunden für eine Veranlagung nach wie vor ein Beratungsgespräch erwarten.

Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit mit den Raiffeisenbanken?

Die Raiffeisenbankengruppe Österreich ist unser wichtigster Vertriebspartner und gleichzeitig sind wir der wichtigste Wertpapierpartner für die Raiffeisenbankengruppe. Das ist eine extrem enge Zusammenarbeit, die auch in herausfordernden Zeiten, wie sie jetzt sind, wirklich gut läuft.

Wie entwickelt sich die Anzahl der Fondssparverträge?

Wir haben heuer neue Sparverträge abgeschlossen, aber natürlich hatten wir auch mit Stornierungen zu kämpfen. Durch die hohe Inflation brauchen einige Kunden mehr Geld fürs tägliche Leben und da ist es naheliegend, den Fondssparvertrag mal auszusetzen. Wir haben gemeinsam mit den Raiffeisenbanken stark darauf hingearbeitet, dass der Kunde im Zuge seines langfristigen Vermögensaufbaus die Sparrate reduziert oder aussetzt, aber nicht den Vertrag auflöst. Wir haben aktuell mehr als 400.000 Fondssparverträge in Österreich und liegen damit sehr weit vor unseren Mitbewerbern, das ist durchaus eine Erfolgsgeschichte.

Wie hat sich das Geschäft der Raiffeisen KAG im heurigen Jahr konkret entwickelt?

Wir sind sehr zufrieden, dass wir heuer Nettomittelzuflüsse verzeichnen, das ist im aktuellen Marktumfeld wirklich erwähnenswert. Die Zuflüsse kommen von institutioneller Seite über viele neue Mandate und von langlaufenden Fondssparverträgen, die in Aktien- und Mischfonds fließen. Das ist auch der richtige Weg, denn im langfristigen Vermögensaufbau führt an Aktien kein Weg vorbei. Wir sind im Privatkundengeschäft, mit einem Plus von 3,87 Prozent per Ende September, auch stärker als der Markt gewachsen. Nichtsdestotrotz können wir natürlich an das enorme Wachstum von 2016 bis 2021 im Moment nicht anschließen.

Umfragen zeigen, dass Raiffeisen vor allem für Regionalität, Vertrauen und Sicherheit steht, aber nicht als Veranlagungsbank wahrgenommen wird. Wie könnte man dieses Image ändern?

Die Ausbildungs- und Beratungsstandards sind bei Raiffeisen extrem hoch. Wo wir gemeinsam stärker werden können, ist die Präsenz des Themas zu verstärken – sowohl intern als auch im Außenauftritt. Entscheidend wird sein, beim nachwachsenden Markt unser Image zu verbessern, um Neukunden zu gewinnen.

Aktuell ist die Raiffeisen KAG zweitgrößter Fondsanbieter in Österreich. Ist es ein Ziel, Marktführer zu werden?

Das ist es bei Raiffeisen immer (lacht). Im Privatkundengeschäft ist die Raiffeisen KAG Marktführer. Im institutionellen Kundengeschäft liegen wir noch hinter unserem Hauptmitbewerber, holen aber auf.

Hannes-Cizek, CEO Raiffeisen KAG

Die Raiffeisen KAG ist auch im Ausland aktiv und hier stark in Osteuropa. Wo sehen Sie noch Potenzial?

Primär in den EU-Mitgliedsländern. Wir sind mit lokalen Asset-Management-Gesellschaften in Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Rumänien aktiv und haben Vertriebspartner in Slowenien und Polen. In den Euro-Ländern wie der Slowakei ist das Fondssparprodukt mit rund 250.000 Verträgen schon extrem etabliert, aber in Rumänien haben wir heuer erst angefangen. Das Wichtigste ist, dass wir die Dinge, die in unseren Hauptmärkten gut laufen, auch nach Osteuropa bringen. Wir sehen in der Durchdringung noch viel Potenzial, wie auch im institutionellen Geschäft. Das betreiben wir in Österreich, Italien und Deutschland sehr erfolgreich, in Osteuropa bisher wenig, aber auch dort gibt es große Pensionskassen, Versicherungen und Finanzholdings.

Vor Ihrem Wechsel zur Raiffeisen KAG hatten Sie viel mit Innovationen in Banken zu tun. Wird von Ihnen erwartet, auch Innovation ins Fondsgeschäft zu bringen?

Ja, das glaube ich schon. Diese intensive Beschäftigung mit digitaler Transformation, Innovationsmanagement und die Digitalisierungsvorhaben, die das ganze Wertpapiergeschäft vor sich hat, das passt schon sehr gut zusammen. Für meine Bestellung war sicher auch ausschlaggebend, dass ich in meiner Karriere lange mit und in der Raiffeisenbankengruppe Österreich und in der RBI-Gruppe gearbeitet habe. Die Raiffeisen KAG ist sowohl national als auch international sehr stark, da hilft es sehr, wenn man beide Welten gut kennt.

Im Fondsgeschäft sind Sie doch eine Art Quereinsteiger. Was hat Sie an der Position gereizt?

Ich mache generell gern neue Sachen und war immer schon kapitalmarktaffin. Die Auswirkungen des Kapitalmarkts auf die Wirtschaft und unser Leben, wie etwa bei der grünen Transformation in Europa, die eben nicht vom Staat allein kommen kann – das sind sehr spannende Aspekte.

Für wie viel frischen Wind kann man als Quereinsteiger in einer Organisation sorgen?

Die Stimmung war bereits dynamisch und gut, als ich gekommen bin. Die Erwartungshaltung ist aber trotzdem, dass ich mich auf diese digitale Weiterentwicklung konzentriere, und das spürt die Organisation auch. Die Strategie ist, uns langfristig so aufzustellen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben können.

Quelle: Interview vom 16.11.2023 in der Raiffeisenzeitung mit Hannes Cizek, CEO Raiffeisen KAG.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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